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Originalarbeit

Erkenntnisse und Perspektiven eines 23-jährigen Dauerfeldversuches zum integrierten Pflanzenschutz gegen pilzliche Schaderreger im Winterweizen

Findings and perspectives of a 23-year long-term field trial on integrated plant protection against fungal pathogens in winter wheat

Bettina Klocke, Christina Wagner und Jürgen Schwarz
Affiliation
Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Kleinmachnow

Journal für Kulturpflanzen, 72 (7). S. 265–278, 2020, ISSN 1867-0911, DOI: 10.5073/JfK.2020.07.04, Verlag Eugen Ulmer KG, Stuttgart

Kontaktanschrift
Dr. Bettina Klocke, Julius Kühn-Institut (JKI) – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen, Institut für Strategien und Folgenabschätzung, Stahnsdorfer Damm 81, 14532 Kleinmachnow, E-Mail: bettina.klocke@julius-kuehn.de
Zur Veröffentlichung angenommen
6. Juni 2020
Dies ist ein Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (CC BY 4.0) zur Verfügung gestellt wird (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de).
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 International License (https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en).

Zusammenfassung

Zur Entwicklung von Konzepten zum integrierten Pflanzenschutz wurde im Jahr 1995 in Dahnsdorf (Land Brandenburg) ein Versuchsfeld des Julius Kühn-Institutes eingerichtet und unterschiedliche Dauerfeldversuche angelegt. Im Rahmen des vor Ort größten und ältesten Dauerfeldversuches „Strategievergleich umweltschonender Pflanzenschutz“ werden in diesem Beitrag die Effekte einer 50%igen Reduktionsstrategie in der Phase 1 (1997 bis 2007) bzw. einer konsequenten Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes (IPS) in der Phase 2 (2008 bis 2013) und modifiziert in der Phase 3 (2014 bis 2019) gegen­über einer praxisnahen Strategie, der guten fach­lichen Praxis (GfP), im Hinblick auf den situationsbezogenen Pflanzenschutz gegen pilzliche Schadorganismen im Winterweizen untersucht. Während in den ersten beiden Phasen des Versuches (1997 bis 2013) in den Strategien identische Sorten angebaut wurden, erfolgte in der Phase 3 eine Erweiterung um den Baustein Sorte. Die am häufigsten aufgetretenen Krankheiten waren Blattseptoria (Zymoseptoria tritici, Parastagonospora nodorum (syn. Septoria nodorum)), Braunrost (Puccinia triticina) und Gelbrost (Puccinia striiformis f. sp. tritici), die über die Jahre in Abhängigkeit von Witterung und Befallsdruck sehr unterschiedlich stark auftraten. Der Fungizid-Behandlungsindex als Maß für die Intensität des Pflanzenschutzes, zeigte in der Phase 1 mit einem Wert von 0,8 (situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%) und 0,4 (50% der situationsbezogenen Anwendung) im Mittel der Jahre einen signifikanten Unterschied zwischen den zu prüfenden Strategien, der auf die strikte Reduktion der Pflanzenschutzmittelanwendungen um 50% zurückzuführen war. Die Umstellung des Versuches in Phase 2 und 3 führte in der IPS-Strategie zu einem Fungizid-Behandlungsindex von 1,2 und 1,1 sowie in der GfP-Strategie zu Werten von 1,7 und 1,9, die sich im Vergleich der Strategien als nicht signifikant verschieden erwiesen. Beim Vergleich der Erträge ergab sich in nur zwei (2001, 2006) der 23 Jahre ein signifikanter Unter­schied zwischen den Strategien. Im Vergleich der fungizidbehandelten Varianten zu den unbehandelten Kontrollen innerhalb der Strategien war in der GfP-Strategie in nur vier Jahren ein signifikanter Unterschied ersichtlich, bei der IPS-Strategie in nur einem Jahr. Fungizidanwendungen wären retrospektiv betrachtet häufig nicht erforderlich gewesen. Entsprechend der Erträge und Fungizid-Behandlungsindizes, war auch der fungizidkostenfreie Erlös gemittelt über die sechs Jahre der Phase 3 nicht signifikant verschieden. Die Untersetzung der Strategien GfP und IPS reichte bislang nicht aus, um einen deutlichen Unterschied zwischen diesen zu zeigen, was letztlich auf die schon geringen Fungizid-Behandlungsindizes in der Strategie GfP zurückzuführen ist, die in allen Phasen unter denen der regionalen Praxis lagen und auf die teils gut wirksamen Resistenzen der ausgewählten Sorten. Trotz der häufigen Überschreitungen der Bekämpfungsrichtwerte und der daraus resultierenden Fungizidanwendungen, war der weitere Krankheitsverlauf oft mäßig bis gering. Deutliche Ertragsunterschiede zeigten sich lediglich in Jahren mit hohem Befalls­druck und günstigen Witterungsbedingungen für den Infek­tionsverlauf.

Stichwörter: Integrierter Pflanzenschutz, pilzliche Schaderreger, Fungizide, Sortenresistenz, Dauerfeldversuch, Winterweizen

Abstract

In order to develop concepts for integrated plant protection, a field trial of the Julius Kühn-Institute was set up in Dahnsdorf (Brandenburg) in 1995 and various long-term field trials were carried out. Within the framework of the largest and oldest on-site long-term field trial “Comparison of Strategies for Environmentally Friendly Plant Protection”, this paper examines the effects of a 50% reduction strategy in phase 1 (1997 to 2007) and a consistent implementation of integrated plant protection (IPS) in phase 2 (2008 to 2013) and modified in phase 3 (2014 to 2019) compared to a practical strategy (GfP), with regard to situation-specific plant protection against fungal pathogens in winter wheat. While in the first two phases of the trial (1997 to 2013) identical varieties were grown in the strategies, in phase 3 an extension was made to include the variety component. The most frequently occurr­ing diseases were leaf blotch (Zymoseptoria tritici, Septoria nodorum), leaf rust (Puccinia triticina) and yellow rust (Puccinia striiformis f. sp. tritici), which occurred with very different intensity over the years depending on weather and disease pressure. The fungicide treatment frequency index, as a measure of the intensity of plant protection, showed a value of 0.8 (situation-related plant protection product application (100%) and 0.4 (50% of situation-related application) in phase 1 on average over the years. This was a significant difference between the strategies to be tested, which was due to the strict reduction of plant protection product applications by 50%. The change of the trial in phase 2 and 3 resulted in a fungicide treatment frequency index of 1.2 and 1.1 in the IPS strategy and 1.7 and 1.9 in the GfP strategy, which proved to be not significantly different. When comparing the yields, there was a significant difference between the strategies in only two (2001, 2006) of the 23 years. Also in comparison with the untreated controls, a significant difference was evident in only four years in the GfP strategy, and in only one year in the IPS strategy. Fungicide applications would often not have been necessary retrospectively. In line with the yields and fungicide treatment frequency indices, the net profit averaged over the six years of phase 3 was also not significantly different. Thus, the differentiation of the GfP and IPS strategies was not sufficient to show a clear difference between them so far, which is ultimately due to the already low fungicide treatment frequency indices in the GfP strategy, which were below those of regional practice in all phases, and to the effective resistances of the selected varieties. Despite the frequent exceeding of the control thresholds and the resulting fungicide applications, the disease progress was often moderate to low. Clear yield differences are only evident in years with high disease pressure and favourable weather conditions for infection.

Key words: Integrated plant protection, fungal diseases, fungicides, cultivar resistance, long-term field trials, winter wheat

Einleitung

Integrierter Pflanzenschutz bedeutet, situationsbezogen zu handeln und dabei die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln auf das notwendige Maß zu begrenzen. Chemischer Pflanzenschutz ist in der Intensität einzu­setzen, die notwendig ist, um die Wirtschaftlichkeit zu sichern. Voraussetzung ist, dass alle anderen praktikablen Möglichkeiten wie vorbeugende und nichtchemische Maßnahmen zur Abwehr und Bekämpfung von Schadorganismen ausgeschöpft und die Belange des Verbraucher- und Umweltschutzes sowie des Anwenderschutzes ausreichend berücksichtigt wurden (Anonym, 2009). Der integrierte Pflanzenschutz gilt als umweltverträglich, gewährt eine nachhaltige Landwirtschaft und sichert Erträge bei vertretbaren Kosten.

Bis zur Etablierung des integrierten Pflanzenschutzes war es ein weiter Weg. Die erste Definition des integrierten Pflanzenschutzes legten Stern et al. im Jahre 1959 vor, deren Konzept jedoch insbesondere im Ackerbau lange unbeachtet blieb. In den 70er Jahren rückte der inte­grierte Pflanzenschutz wieder mehr in den Fokus und insbesondere in den USA und Europa wurde die Umsetzung vorangetrieben. In Deutschland erfolgte eine Aufnahme in das Pflanzenschutzgesetz im Jahre 1986, unein­heitliche Auslegungen und Definitionen machten eine Umsetzung jedoch schwierig (Freier et al., 1995). Im Ackerbau galt die Anwendung des integrierten Pflanzenschutzes aus ökonomischen und beratungstechnischen Gründen lange Zeit als unmöglich, trotz innovativer Forschung zur Sortenresistenz, zu Bekämpfungsrichtwerten und Prognosesystemen (Freier & Burth, 2006). Das im Jahr 2004 in Deutschland politisch vorgestellte Reduktionsprogramm chemischer Pflanzenschutz (BBA, 2006), griff den integrierten Pflanzenschutz auf, mit dem Ziel, die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel auf das notwendige Maß zu reduzieren. Die erste umfassende Regelung zur Anwendung von Pflanzenschutzmitteln in Europa wurde mit der Richtlinie 2009/128/EG (Anonym, 2009) geschaffen und forderte die Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes als Hauptstrategie, Maßnahmen für eine breite Anwendung und deren verbindliche Umsetzung in den Mitgliedstaaten ab Januar 2014.

Der integrierte Pflanzenschutz spielt am Versuchsstandort des Julius Kühn-Institutes in Dahnsdorf (Brandenburg) seit langem eine große Rolle. Die vor 25 Jahren vom damaligen Institut für integrierten Pflanzenschutz der Biologischen Bundesanstalt für die Dauerfeldversuche entwickelten Pflanzenschutzstrategien waren bereits auf das notwendige Maß bei der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln ausgerichtet (Pallutt et al., 2005; Freier & Pallutt, 2010; Jahn et al., 2010; Schwarz et al., 2015). Der vor Ort (Koordinaten: 52.108494 N, 12.636338 E) älteste und größte Versuch „Strategievergleich umweltschonender Pflanzenschutz“ wurde im Herbst 1995 mit einer sechsgliedrigen Fruchtfolge und den beiden Pflanzenschutzstrategien „Situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%)“ und „50% von situationsbezogener Pflanzenschutzmittelanwendung“ angelegt. 12 Jahre später erfolgte eine Umstellung mit dem Vergleich der Pflanzenschutzstrategien „Integrierter Pflanzenschutz“ (IPS) und „Gute fachliche Praxis“ (GfP), die sich bis zur verbindlichen Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes weiterentwickelten und dann weitere Aspekte wie die Sortenresistenz mit einbezogen. Die Entwicklung des Schwellenwertkonzeptes (Lutze & Kluge, 1989; Beer, 1991) und auch des Behandlungsindex als Maß für die Intensität des Pflanzenschutzes (Roßberg et al., 2002) leisteten hier einen wichtigen Beitrag zur Bewertung der untersuchten Strategien.

In diesem Beitrag soll auf die Kontrolle der pilzlichen Pathogene im Winterweizen im Dauerfeldversuch „Strategievergleich umweltschonender Pflanzenschutz“ eingegangen werden. Auch wenn Blattpathogene in Dauerfeldversuchen keine zu erwartenden Langzeiteffekte wie z.B. die Unkräuter zeigen, konnten dennoch durch die langjährige Versuchsdauer Erkenntnisse bezüglich der Etablierung, des Auftretens und der Bekämpfung wichtiger Weizenpathogene und damit für den integrierten Pflanzenschutz gewonnen werden.

Material und Methoden

Versuchsdesign

Das Versuchsfeld des Julius Kühn-Institutes liegt in Dahnsdorf im südlichen Brandenburg, nahe der Stadt Bad Belzig im Naturraum „Hoher Fläming“. Die Bodenwertzahl des lehmigen Sandbodens liegt im Mittel bei 48 Punkten. Die mittlere Jahrestemperatur betrug im Zeitraum von 1997 bis 2019 9,6°C mit einem mittleren Jahresniederschlag von 578 mm (erfasst mit eigener Wetterstation, Wittchen et al., 2015). In der Region herrscht häufig Vorsommertrockenheit (Pallutt et al., 2010; Schwarz et al., 2015).

Im Herbst 1995 wurde auf dem Versuchsfeld der Versuch „Strategievergleich umweltschonender Pflanzenschutz“ mit zwei Fruchtfolgen als zweifaktorielle randomisierte Spaltanlage angelegt (Phase 1 – 1996 bis 2007, Pallutt et al., 2010). Die erste Fruchtfolge stellte eine getreidebetonte Marktfruchtausrichtung mit den Fruchtfolgegliedern Winterraps – Winterweizen – Winterroggen – Brache (1996–2001)/Erbse – Winterweizen – Wintergerste dar (sechs Wiederholungen). Die zweite Fruchtfolge orientiert sich am Futterbau und enthielt die Fruchtfolgeglieder Winterraps – Wintergerste – Luzerne-Klee-Gras – Winterroggen – Mais – Winterweizen (vier Wiederholungen). Geprüft wurden die Pflanzenschutzstrategien „Situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%)“ und „50% von situationsbezogener Pflanzenschutzmittelanwendung. In der situationsbezogenen Pflanzenschutzmittelanwendung (100%) erfolgte die Nutzung von Schwellenwerten und eine situationsbezogene Mittelwahl. Die 100%-Variante in dieser Phase 1 wird in der vorliegenden Untersuchung der guten fach­lichen Praxis (GfP) in der Phase 2 und 3 gleichgesetzt.

Eine erste Neuausrichtung des Versuches erfolgte im Herbst 2007 (Phase 2 – 2008 bis 2013). Die Fruchtfolge wurde vereinheitlicht (Winterroggen – Winterweizen – Winterroggen/Zuckerhirse (Biogas) – Erbse – Wintertriticale), die Bodenbearbeitung in den Stufen „wendend“ (fünf Wiederholungen) und „nichtwendend“ (fünf Wiederholungen) als Faktor aufgenommen. Aus der Pflanzenschutzstrategie „situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung“ wurde die „Gute fachliche Praxis (GfP)“, aus der „50% von situationsbezogener Pflanzenschutzmittelanwendung“ der „Integrierte Pflanzenschutz (IPS)“. In der Strategie GfP wurde der Pflanzenschutzmitteleinsatz praxisüblich unter Einbeziehung der Hinweise des amtlichen Pflanzenschutzdienstes durchgeführt. In der Strategie IPS erfolgte darüber hinaus die Nutzung von Schwellenwerten, eine situationsbezogene Mittelwahl und Dosierung sowie ein- bzw. mehrfache Anwendung reduzierter Mittelaufwandmengen unter Anwendung von Expertenwissen und Prognose- sowie Entscheidungshilfemodellen.

Aufgrund der Änderungen beim Pflanzenschutzrecht, erfolgte zum Anlagejahr 2013 eine weitere Anpassung der Strategien (Phase 3 – 2014 bis 2019) in die „Allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes“ (GfP) und in die „Sektor- und kulturartenspezifischen Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes“ (IPS) mit der Fruchtfolge Winterraps – Winterweizen – Winterroggen (Zwischenfrucht) – Mais – Erbse – Wintertriticale (IPS)/Wintergerste (GfP) (2014–2016) ab 2017 Wintertriticale. Einbezogen wurden nun weitere Aspekte des Pflanzenschutzes wie die Sortenresistenz gegenüber wichtigen Getreidepathogenen in der Strategie IPS und in beiden Strategien wurde das Schwellenwertkonzept berücksichtigt. Die Prüffaktoren der drei Phasen sind in Tabelle 1 dargestellt.

Tab. 1. Prüffaktoren der drei Phasen des Versuches

Prüffaktoren

Phase 1
1996–2007

Phase 2
2008–2013

Phase 3
2014–2019

Pflanzenschutzstrategie

situationsbezogen (100%) und 50% von situationsbezogen

GfP und IPS

allgemeine Grundsätze des IPS (GfP) und Leitlinien des IPS (IPS)

 

identische Sorten

identische Sorten

unterschiedliche Sorten in GfP und IPS

Bodenbearbeitung

wendend

wendend und nichtwendend

wendend und nichtwendend

Pflanzenschutzvarianten

UK, H, F, HF

H1, H, HF1, HF

H1, H, HF1, HF

UK = unbehandelte Kontrolle, H = nur Herbizid, F = nur Fungizid, HF = Herbizid und Fungizid, nach Umstellung auf Phase 2 wurde aus der UK = H1, und aus F = HF1

In der ersten Phase des Versuchs wurden in beiden Strategien in Getreide unbehandelte Parzellen (UK), Parzellen nur mit Fungiziden (F), nur mit Herbiziden (H) und Parzellen mit Fungiziden und Herbiziden (HF) geprüft. Ab der Phase 2 (Herbst 2007) wurden die Parzellen ohne Herbizide (UK, F) wieder mit Herbiziden behan­delt (H1, HF1), die Unterscheidung hinsichtlich des Einsatzes der Fungizide blieb bestehen. In dem Dauer­feldversuch gibt es somit in beiden Strategien Parzellen ohne (H, H1) und mit Fungizideinsatz (HF, HF1). Die Parzellen, deren Behandlung über den gesamten Zeitraum des Versuches (alle Phasen) mit Herbizid (H) und mit Herbizid und Fungizid (HF) erfolgte, wurden für die Auswertung ausgewählt.

Auswahl der Sorten

Die Auswahl der Sorten erfolgte im Hinblick auf die regio­nale Empfehlung durch den Pflanzenschutzdienst des Landes Brandenburg sowie auf Resistenz gegenüber den am Standort wichtigsten Winterweizenpathogenen. In Tabelle 2 sind die über die Jahre angebauten Sorten sowie deren Resistenzausprägung gegenüber den wichtigsten am Standort aufgetretenen Weizenpathogenen dargestellt. Während in den Erntejahren 1996 bis 2013 im Versuch die gleiche Weizensorte in beiden Strategien angebaut wurde, erfolgte mit Umstellung des Versuches zum Erntejahr 2014 in der Phase 3 der Anbau von unterschiedlichen Sorten in den Strategien GfP und IPS, um zusätzlich den Einfluss der Sortenresistenz auf die Intensität der Fungizidanwendungen abzubilden.

Tab. 2. Angebaute Winterweizensorten der drei Versuchsphasen, Erntejahr sowie deren Resistenzeinstufung ge­genüber den Blattkrankheiten Blattseptoria, Gelbrost und Braunrost laut Beschreibender Sortenliste des Bundessortenamtes 1996ff.

Phase

Erntejahr

Strategie

WW-Sorte

Resistenzeinstufung

 

 

 

 

Blattseptoria

Gelbrost

Braunrost

1

1996

100%/50%

Ritmo

4

3

5

 

1997–2005

Pegassos

4

2

3 (4)

 

2006–2007

Akratos

4

2

3 (4)

2

2008–2010

GfP/IPS

Brilliant

5

3

4

 

2011–2013

JB Asano

6 (7)

4 (8)

5

3

2014–2019

GfP

JB Asano

7

7

5

 

2014–2019

IPS

Julius

3 (4)

2 (4)

4 (5)

- = nicht untersucht, ( ) = veränderte Resistenzeinstufung, weiß = 1–3 resistent, grau = 4–6 mäßig anfällig, dunkelgrau = 7–9 an­fällig, Einstufung nach Bundessortenamt 1996 bis 2019

Die Sorte Pegassos erwies sich als stabil, mit einer gut wirksamen Resistenz gegen Gelbrost (Puccinia striiformis f. sp. tritici) und Braunrost (Puccinia triticina) sowie mäßi­ger Resistenz gegen Blattseptoria (Zymoseptoria tritici, Parastagonospora nodorum). Brilliant und Akratos wurden für drei bzw. zwei Jahre angebaut und wiesen mäßige bis gute Resistenzen auf. Die Sorte JB Asano wurde insgesamt neun Jahre angebaut. Drei Jahre in der Phase 2 des Versuches und weitere sechs Jahre nach Umstel­lung auf Phase 3 in der Strategie GfP, mit der Sorte Julius in der IPS Strategie. Wie für rassenspezifische Resistenzen üblich, zeigte die Sorte JB Asano über die neun Jahre starke Veränderungen hinsichtlich ihrer Resistenz und war ab 2013 mit Noten von 7 als hoch anfällig gegenüber Gelbrost und Blattseptoria einzustufen. Die in der Phase 3 in der Strategie IPS angebaute Sorte Julius erwies sich zunächst als gelbrost- und septoriaresistent, aber auch hier passte sich die Pathogenpopulation über die Jahre an und die Resistenz nahm kontinuierlich ab. Hinzu kam eine abnehmende Widerstandsfähigkeit gegen den Braunrost.

Bewertung und Bekämpfung des Krankheitsauftretens

Um über notwendige Fungizidanwendungen entscheiden zu können und epidemiologische Erkenntnisse zu sammeln, erfolgte in allen Jahren die Bewertung des Befalls ab BBCH 31 durch wöchentliche Kontrollbonituren bis zum ersten Behandlungstermin. Zur Erfassung der Wirksamkeit der Fungizide, erfolgten Erfolgsbonituren 14 bzw. 21 Tage nach der Applikation. Diese erfolgten nach Behandlung in der unbehandelten Kontrolle (H) und in der behandelten Variante (HF). Herbizidanwendungen wurden in allen betrachteten Varianten (H und HF) durchgeführt, bei Bedarf wurden auch Insektizide eingesetzt. Die Herbizidanwendungen waren in den Strategien (100% und 50% bzw. IPS und GfP) nicht immer identisch. Erfasst wurde die Befallsstärke und -häufigkeit aller aufgetretenen pilzlichen Schaderreger auf den oberen drei bzw. vier Blattetagen. Pro Parzelle wurden bis zu 25 Pflanzen bonitiert. Eine Behandlung erfolgte mit einem für die Indikation zugelassenen Fungizid (Tab. 3) nach Überschreitung des für jede Krankheit spezifischen Bekämpfungsrichtwerts (Tab. 4) (Pflanzenschutzdienste der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, 2020).

Tab. 3. Eingesetzte Fungizide, deren Aufwandmengen (AWM) und das Entwicklungsstadium (BBCH) zum Zeitpunkt der Fungizidanwendung in den drei Phasen des Versuches in den Strategien GfP bzw. situati­onsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%) und IPS bzw. Reduktionstrategie (50%)

 

 

Pflanzenschutzstrategie

 

 

GfP/100%

 

IPS/50%

Phase

Jahr

BBCH

Fungizid

AWM (l bzw. kg/ha)

 

BBCH

Fungizid

AWM (l bzw. kg/ha)

1

1996

53

Opus Top

1,5

 

53

Opus Top

0,75

 

 

75

Pronto

1,0

 

75

Pronto

0,5

 

1997

65

Juwel

1,0

 

65

Juwel

0,5

 

1998

61

Folicur

0,5

 

61

Folicur

keine Behandlung

 

1999

41

Juwel Top

1,0

 

41

Juwel Top

0,5

 

2000

 

 

keine Behandlung

 

 

 

keine Behandlung

 

2001

65

Caramba

1,5

 

65

Caramba

0,75

 

2002

34

Unix

0,8

 

34

Unix

0,4

 

 

 

Alto 100 SL

0,8

 

 

Alto 100 SL

0,4

 

 

65

Folicur

0,5

 

65

Folicur

0,25

 

 

 

Juwel Top

0,5

 

 

Juwel Top

0,25

 

2003

 

 

keine Behandlung

 

 

 

keine Behandlung

 

2004

49

Opera

1,2

 

49

Opera

0,6

 

2005

39

Impulse

0,8

 

39

Impulse

0,4

 

Proline

0,8

 

Proline

0,4

 

2006

37

Proline

0,8

 

37

Proline

0,4

 

2007

47

Input

1,25

 

47

Input

0,63

2

2008

31

Proline

0,8

 

31

Proline

0,5

 

 

39

Fandango

0,75

 

39

Fandango

0,75

 

 

 

Input classic

0,75

 

 

Input classic

0,75

 

2009

61

Prosaro

0,8

 

61

Swing Gold

1,2

 

 

 

Opus Top

1,2

 

 

Opus Top

1,2

 

 

 

Flexity

0,4

 

 

Flexity

0,4

 

2010

43

Fandango

0,75

 

43

Input classic

1,0

 

 

 

Input classic

0,75

 

 

 

 

 

2011

37

Fandango

1,2

 

37

Fandango

1,0

 

2012

37

Acanto

0,8

 

39

AviatorXPro

0,75

 

 

 

Pronto Plus

1,2

 

 

Fandango

0,75

 

2013

37

AviatorXPro

0,75

 

37

Adexar

1,5

 

 

 

Fandango

0,75

 

 

 

 

 

 

65

Osiris

2,5

 

 

 

 

3

2014

32

AviatorXPro

0,7

 

41

AviatorXPro

1,25

 

 

 

Fandango

0,7

 

 

 

 

 

 

51

Prosaro

1,0

 

 

 

 

 

2015

31

Opus Top

1,5

 

 

 

keine

 

 

45

Seguris

1,0

 

 

 

Behandlung

 

 

 

AmistarOpti

1,5

 

 

 

 

 

2016

33

Input classic

1,25

 

45

Input Xpro

1,25

 

 

55

Ceriax

2,0

 

 

 

 

 

2017

32

Input classic

1,25

 

32

Input classic

1,25

 

 

61

Elatus Era

1,0

 

69

Seguris

1,0

 

 

 

 

 

 

Amistar Opti

1,5

 

2018

41

Adexar

1,8

 

59

Elatus Era

1,0

 

 

 

 

 

 

Sympara

0,33

 

2019

33

Input classic

1,25

 

41

Adexar

1,8

 

 

61

Adexar

1,8

 

 

 

 

Tab. 4. Bekämpfungsrichtwerte für pilzliche Schaderreger im Winterweizen sowie Boniturobjekt und BBCH-Stadium

Krankheit

Boniturobjekt

BBCH

Bekämpfungsrichtwert
(Befallshäufigkeit)

Echter Mehltau

3 obere Blätter

32–61

60%

Septoria-Arten*
Blattbefall

4 obere Blätter

32–37

30%

39–61

10%

Gelbrost

3 obere Blätter

31–61

erste Nester (anfällige Sorten)
30% (resistente Sorten)

Braunrost

3 obere Blätter

37–61/69

30%

*=zusätzlich Nutzung des Prognosemodells SEPTRI, verändert nach Pflanzenschutzdienste der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, 2020

Bewertung der Intensität des Pflanzenschutzes und der Wirtschaftlichkeit

Zur Bewertung der Intensität der Fungizidanwendungen, wurden die Behandlungshäufigkeit als Anzahl durchgeführter Fungizidanwendungen und der Behandlungsindex ermittelt. Der Behandlungsindex errechnet sich aus dem Quotienten der realen Aufwandmenge und der maximal möglichen, multipliziert mit dem Quotienten aus behandelter Fläche und Gesamtfläche (Roßberg et al., 2002). Eine Applikation auf der gesamten Fläche mit der vollen Aufwandmenge, ergibt einen Behandlungsindex von 1. Wird die Aufwandmenge um 50% reduziert, halbiert sich der Behandlungsindex auf einen Wert von 0,5.

Zur Berechnung der Wirtschaftlichkeit wurden die in dem jeweiligen Jahr gültigen Erzeugerpreise (AMI-Marktbilanz, 2019) und Fungizidpreise sowie Überfahrtskosten in Höhe von 12,48 €/ha zugrunde gelegt. Der fungizidkostenfreie Erlös ergibt sich aus dem Produkt von Ertrag und Erzeugerpreis abzüglich der Fungizid- und Überfahrtskosten.

Statistische Analyse

Die statistische Auswertung des Datenmaterials erfolgte mit dem Statistikprogrammpaket SAS®9.4 Version M6 (©2016 by SAS Institute Inc., Cary, NC, USA). Die grafische Darstellung der Befallsstärke unterschiedlicher pilzlicher Schaderreger (Abb. 1) wurde mit der Prozedur SGPANEL und die Boxplots des Merkmals Ertrag (Abb. 2 bis 4) mit der Prozedur SGPLOT erstellt. Die statistische Auswertung der Prüfmerkmale Ertrag und Erlös erfolgten mit der Prozedur MIXED mit dem SIMULATE-Verfahren, als paarweise Vergleiche mit einem versuchsbezogenem Alpha von 0.05. Die anschließende weitere Analyse erfolgte mit der Prozedur PLM. Die Auswertung des Prüfmerkmals Behandlungsindex erfolgte als Mittelwertvergleich mit der Prozedur T-Test.

Abb. 1. Befallsstärke der Krankheiten Blattseptoria (A), Braunrost (B) und Gelbrost (C) in der unbehandelten Kontrolle auf dem Fahnenblatt-1 (F-1) zum BBCH 65–75 in den Jahren 1997 bis 2019 für die Strategien GfP (vormals situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%)) und IPS (vormals Redukti­onsstrategie (50%)). 
Ab dem Jahr 2014 (senkrechter Strich) wurden in den Strategien GfP und IPS unter­schiedliche Sorten angebaut

Abb. 1. Befallsstärke der Krankheiten Blattseptoria (A), Braunrost (B) und Gelbrost (C) in der unbehandelten Kontrolle auf dem Fahnenblatt-1 (F-1) zum BBCH 65–75 in den Jahren 1997 bis 2019 für die Strategien GfP (vormals situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%)) und IPS (vormals Redukti­onsstrategie (50%)). Ab dem Jahr 2014 (senkrechter Strich) wurden in den Strategien GfP und IPS unter­schiedliche Sorten angebaut

Abb. 2. Boxplots der Erträge der Pflanzenschutzstrategi­en situations­bezogene Pflanzenschutzmittelan­wendung (100%) und 50% von situationsbe­zogen in der jeweils un­behandelten Kontrolle (100 H, 50 H) und der behandelten Variante (100 HF, 50 HF) in der Phase 1

Abb. 2. Boxplots der Erträge der Pflanzenschutzstrategi­en situations­bezogene Pflanzenschutzmittelan­wendung (100%) und 50% von situationsbe­zogen in der jeweils un­behandelten Kontrolle (100 H, 50 H) und der behandelten Variante (100 HF, 50 HF) in der Phase 1

Abb. 3. Boxplots der Erträge der Pflanzenschutzstrategi­en GfP und IPS in der jeweils unbehandelten Kontrolle (GfP H, IPS H) und der fungizidbe­handelten Variante (GfP HF, IPS HF) in der Pha­se 2

Abb. 3. Boxplots der Erträge der Pflanzenschutzstrategi­en GfP und IPS in der jeweils unbehandelten Kontrolle (GfP H, IPS H) und der fungizidbe­handelten Variante (GfP HF, IPS HF) in der Pha­se 2

Abb. 4. Boxplots der Erträge der Pflanzenschutzstrategi­en GfP und IPS in der jeweils unbehandelten Kontrolle (GfP H, IPS H) und der behandelten Variante (GfP HF, IPS HF) in der Phase 3

Abb. 4. Boxplots der Erträge der Pflanzenschutzstrategi­en GfP und IPS in der jeweils unbehandelten Kontrolle (GfP H, IPS H) und der behandelten Variante (GfP HF, IPS HF) in der Phase 3

Ergebnisse und Diskussion

Von den insgesamt 25 Jahren wurden 23 in die Auswertung mit einbezogen, da im ersten Versuchsjahr 1996 noch Anpassungen vorgenommen wurden. Zur Auswertung der Phase 1 wurden ausschließlich die Daten des in der getreidebetonten Marktfruchtfolge angebauten Winterweizens 1 herangezogen (siehe Material- und Methodenteil). Die in der Phase 2 angelegten Prüffaktoren wendende und nichtwendende Bodenbearbeitung ergaben keine grundlegenden Unterschiede bezüglich des Krankheitsauftretens, so dass diese zusammengefasst wurden.

Auftreten und Bekämpfung pilzlicher Schaderreger

Die Befallsstärke für die Krankheiten Gelbrost, Blattseptoria und Braunrost in den 23 Versuchsjahren ist in Abbildung 1 dargestellt. Der Echte Mehltau trat in einigen Jahren auf, jedoch in sehr geringer Stärke und musste entsprechend nicht kontrolliert werden. Das Krankheitsauftreten innerhalb des dargestellten Versuchszeitraumes wurde stark von der Sortenresistenz und dem örtlichen Pathotypenspektrum beeinflusst. Auch die Witterung spielte hier eine große Rolle. So führte die am Standort häufig auftretende Vorsommertrockenheit (Jahn et al., 2010; Schwarz et al., 2015) in vielen Jahren trotz hoher Frühjahrinfektionen mit Blattseptoria zur Stagnation des Befalls, da die für den Pilz notwendige Feuchte zur weiteren Verbreitung oft fehlte.

Dennoch trat Blattseptoria (Abb. 1A) am Standort regel­mäßig auf und dominierte häufig das Befallsgeschehen. Im Jahr 2013 war der Befall mit einer Stärke von 65% in der Sorte JB Asano besonders stark, aber auch die Jahre 2002, 2007 und 2010 gehörten mit Befallsstärken von mehr als 20% zu Perioden mit hohem Befallsdruck. Im Gegensatz dazu trat der Braunrost (Abb. 1B) in den ersten zehn Jahren gar nicht auf. Höhere Befallsstärken konnten nur in den Jahren 2007 und 2012 bonitiert werden und in den Jahren 2016 bis 2018 trat Braunrost, vor allem in der Sorte Julius (IPS), verstärkt auf. Hoher Gelb­rostbefall zeigte sich besonders in den Jahren 2014 bis 2016 (Abb. 1C) (Wagner et al., 2016).

Die geringen Befallsstärken für die beiden Roste in der Phase 1 des Versuches (1997 bis 2007), sind auf die gut wirksamen Resistenzen der Sorten Pegassos und Akra­tos gegenüber den auftretenden Rassen bei Gelbrost und Braunrost zurückzuführen. Erst mit dem Anbau der Sorte JB Asano ab Herbst 2010 (zweite Hälfte Phase 2 und gesamte Phase 3) und ihrer hohen Anfälligkeit gegen­über Blattseptoria und Gelbrost, kam es zu starkem Krankheitsbefall. Die seit dem Jahr 2014 verstärkt in ganz Europa aufgetretene Gelbrostrasse Warrior ist sowohl an höhere Temperaturen angepasst, kann wesent­lich mehr Sporen produzieren und verursachte erheb­liche Ertragsausfälle in anfälligen Sorten (Flath et al., 2014; Hovmøller et al., 2015). Am Standort Dahnsdorf führte der Gelbrost in der Sorte JB Asano in den Jahren 2014 bis 2016 zu Befallsstärken von über 50% bis maxi­mal 100% (Abb. 1C). Seit Auftreten der neuen Rasse konnte in allen anschließenden Jahren Gelbrost in der Sorte JB Asano bonitiert werden. Die im Jahr 2014 zusätz­lich in Phase 3 angebaute Sorte Julius erwies sich im Gegensatz dazu in den Jahren 2014 bis 2018 als gelb­rostresistent. Im Jahr 2019 trat erstmalig Gelbrostbefall in einigen Wiederholungen der Sorte Julius auf, was
auf eine Anpassung der Pathogenpopulation hinweist und eine Herabstufung der Resistenz auf eine Note 4 durch das Bundessortenamt (Bundessortenamt, 2019) zur Folge hatte.

Der Fungizid-Behandlungsindex (F-BI) und die Fungizid-Behandlungshäufigkeit (F-BH) sind der Tabelle 5 zu entnehmen. Sie unterschieden sich deutlich in der Strategie GfP/100% in den drei Phasen, vor allem bedingt durch die unterschiedliche Resistenzausprägung der Sorten gegenüber den vorherrschenden Krankheiten und dem örtlichen Befallsdruck (Abb. 1). Die gute Resistenz der Sorten der Phase 1 führte zu einer mittleren Fungizid-Behandlungshäufigkeit von 0,9 im Gegensatz zu 1,8 in der Phase 3. Auch der Fungizid-Behandlungsindex ist mit 0,8 (Phase 1) deutlich geringer als in der anfälligen Sorte JB Asano (Phase 3) mit 1,9.

Tab. 5. Fungizid-Behandlungsindex (F-BI) und Fungizid-Behandlungshäufigkeit (F-BH) für die Strategien GfP (vormals situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%)) und IPS (vormals Reduktions­strategie (50%)) in den behandelten Varianten der drei Phasen des Versuches

Phase

Erntejahr

GfP/100%

 

IPS/50%

 

 

F-BI

F-BH

 

F-BI

F-BH

1

1997

1,0

1

 

0,5

1

 

1998

1,0

1

 

0,0

0

 

1999

1,0

1

 

0,5

1

 

2000

0,0

0

 

0,0

0

 

2001

1,0

1

 

0,5

1

 

2002

2,0

2

 

1,0

2

 

2003

0,0

0

 

0,0

0

 

2004

0,7

1

 

0,3

1

 

2005

0,5

1

 

0,3

1

 

2006

1,0

1

 

0,5

1

 

2007

1,0

1

 

0,5

1

Mittelwert

1997–2007

0,8

0,9

 

0,4

0,8

2

2008

2,1

2

 

1,1

1

 

2009

2,4

1

 

2,4

1

 

2010

1,1

1

 

0,8

1

 

2011

0,8

1

 

0,7

1

 

2012

1,6

2

 

1,1

1

 

2013

1,9

2

 

0,8

1

Mittelwert

2008–2013

1,7

1,5

 

1,2

1,0

3

2014

2,0

2

 

1,0

1

 

2015

2,6

2

 

0,0

0

 

2016

1,7

2

 

0,8

1

 

2017

2,0

2

 

2,6

2

 

2018

0,9

1

 

1,3

1

 

2019

1,9

2

 

0,9

1

Mittelwert

2014–2019

1,9

1,8

 

1,1

1,0

Beim Vergleich der Strategien untereinander, zeigte sich ein signifikanter Unterschied im Fungizid-Behandlungsindex in der Phase 1 (t (19) = –2,40 p = 0,0270), bedingt durch das vorgegebene Versuchsdesign mit einer Reduktion des Fungizid-Behandlungsindex um mindestens 50%. In der Phase 2 waren keine signifikanten Unter­schiede feststellbar (t (11) = –1,8, p = 0,1138), was auf ähnliche Fungizid-Behandlungsmuster in den Strategien in den einzelnen Jahren zurückzuführen ist. Dies zeigt, dass beim Anbau identischer Sorten hinsichtlich der pilzlichen Schaderreger keine deutlichen Fungizidreduktionen zu erzielen waren. Aber auch durch den zusätz­lichen Sortenaspekt in der Phase 3 waren keine signifikanten Unterschiede ersichtlich (t (10) = –1,81 p = 0,1011), was letztlich darauf zurückzuführen war, dass auch in der Sorte Julius (IPS-Strategie) die Krankheiten Septoria-Blattdürre und Braunrost auftraten, die aufgrund der Überschreitung des Bekämpfungsrichtwertes Fungizidanwendungen erforderten. Die Bekämpfungsrichtwerte (Tab. 4) waren aber in der Sorte Julius wesentlich häufiger unterschritten bzw. wurden erst zeitlich später überschritten als in der anfälligen Sorte JB Asano, was zu einer geringeren mittleren Fungizid-Behandlungshäufigkeit in der Phase 3 mit nur einer Behand­lung in der Sorte Julius, aber 1,8 Behandlungen in der Sorte JB Asano führte. Im Jahr 2015 waren, trotz der in Deutschland vorherrschenden Gelbrostepidemien, keine Behandlungen in der Sorte Julius erforderlich, in der Sorte JB Asano hingegen erfolgten in allen Jahren mit hohem Gelbrostbefall zwei Anwendungen. Dies zeigt das Potenzial einer resistenten Sorte bei hohem Befallsdruck. Keine Fungizidanwendungen in Winterweizen erfolgten außerdem in der Phase 1 im Jahr 1998 (nur 50%), 2000 und 2003, einem extremen Trockenjahr (Pallutt et al., 2010; Schwarz et al., 2015).

Während in der Phase 1 eine Unterscheidung der Strategien durch eine konsequente Halbierung des Fungizideinsatzes festgelegt war, sollte in der Phase 2 die GfP Strategie als praxisübliche Variante und die IPS Strategie als Variante, die den optimierten integrierten Pflanzenschutz darstellt, geführt werden. Eine Unterscheidung war aber häufig in dieser Form nicht mit letzter Konsequenz möglich, da die Entscheidungen letztlich auch subjektiv beeinflusst wurden. Dies führte dazu, dass nach Bestandeskontrollen und nicht überschrittenen Bekämpfungsrichtwerten Fungizidanwendungen in der GfP Strategie nicht durchgeführt wurden, obwohl in der Praxis in der gleichen Situation wahrscheinlich eine Behandlung erfolgt wäre. Grund hierfür sind sicherlich auch die häufigeren Bonituren im Vergleich zur Praxis. Unterschiede zwischen den beiden Pflanzenschutzstrategien waren somit oft geringer als erwartet. Dies erklärt auch die Abweichungen der Fungizid-Behandlungsindizes in der GfP-Strategie von denen des „Netzes Vergleichsbetriebe Pflanzenschutz“ bzw. des „Panels Pflanzenschutzmittel­anwendungen (PAPA)“, die dort deutlich höher liegen. Im Mittel der Jahre 2007 bis 2016 liegt der Fungizid-Behandlungsindex in den Vergleichsbetrieben bei 2,2 (Dachbrodt-Saaydeh et al., 2018) und bei den PAPA-Betrieben für die Jahre 2011 bis 2018 bei 2,1 (Roßberg, 2020). Der Vergleich der beiden Strategien bezüglich der Fungizidentscheidungen war unter dem hinzugenommenen Aspekt der Sortenresistenz in der Phase 3 wesentlich besser umzusetzen und zeigte den Vorteil einer resistenten Sorte im Hinblick auf die Reduktion von Fungizid­anwendungen in Jahren mit hohem Befallsdruck. Dennoch waren auch hier die Fungizid-Behandlungsindizes über die Jahre in Phase 3 nicht signifikant voneinander verschieden, was zeigt, dass ein deutlicher Unterschied bei der Anwendung von Fungiziden auch mit der Untersetzung der Strategien mit dem zusätzlichen Baustein der Sorte bisher nicht möglich war.

Diese für jede Sorte individuell situationsbezogenen Fungizidanwendungen wurden durch das Schwellenwertkonzept zur Bekämpfung von pilzlichen Schaderregern erst möglich (Lutze & Kluge, 1989; Beer, 1991). In Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass vorbeugende Fungizidbehandlungen gegen pilzliche Pathogene sich häufiger als unwirtschaftlich erwiesen und unter Beach­tung der Bekämpfungsschwellen Anwendungen eingespart und somit die Intensität des Pflanzenschutzes, besonders bei der Verwendung resistenter Sorten, entscheidend beeinflusst werden konnte (Beer et al., 1996; Jahn et al., 2010). Die Umsetzung des Konzeptes des inte­grierten Pflanzenschutzes in die Praxis erfordert die hier kontinuierlich durchgeführten Bestandeskontrollen, die eine Bewertung des Zustandes der landwirtschaft­lichen Schläge ermöglichen (Freier et al., 1997, 2018). Diese sind in regelmäßigen Abständen durchzuführen, um alle auftretenden Schaderreger sowie Unkräuter zu erfassen und zu überprüfen, ob bestehende Bekämpfungsrichtwerte überschritten und eine Pflanzenschutz­anwendung erforderlich ist. Zusätzlich informieren die Pflanzenschutzdienste der Länder in ihren Warndiensten über das örtliche Befallsgeschehen und geben wichtige Informa­tionen zur Mittelwahl, zu Aufwandmengen, zum Resistenzmanagement und zu Entscheidungshilfesystemen (Pflanzenschutzdienste der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, 2020).

Ertrag und Erlös

Neben dem Fungizideinsatz, spielt der zu erzielende Ertrag einer Sorte für die Umsetzung und Etablierung des integrierten Pflanzenschutzes im praktischen Anbau eine große Rolle. Die Erträge der Strategien in den einzelnen Jahren und Phasen sind in den Abbildungen 2 bis 4 dargestellt. Es zeigt sich, dass bedingt durch die Witterung und den Befallsdruck, die Erträge über die Jahre stark variieren können und auch innerhalb der Jahre aufgrund der Heterogenität des Bodens in den einzelnen Varian­ten große Streuungen auftraten. Zu erwähnen sind hier die Jahre 2003 und 2018 mit extremer Trockenheit sowie das Jahr 2013 mit einem Hagelschlag kurz vor der Winterweizenernte.

Fungizidanwendungen führten in der Strategie GfP bzw. in der situationsbezogenen Pflanzschutzmittelanwendung in allen Jahren mit Ausnahme des Jahres 1997 tendenziell zu Mehrerträgen in den behandelten Varianten (HF) verglichen mit den fungizid-unbehandelten Varian­ten (H). Dieser Unterschied erwies sich jedoch nur in der Phase 3 in den Jahren 2012, 2014, 2016 und 2017 als signifikant verschieden (Tab. 6). Eine Behandlung wäre somit häufig nicht erforderlich gewesen.

Tab. 6. Paarweiser Vergleich der Erträge (dt/ha) zwischen den unbehandelten (H) und behandelten Varianten (HF) der Pflanzenschutzstrategien GfP/100% und IPS/50% in den einzelnen Versuchsjahren (Tukey-Kramer LSD, α = 0.05, dargestellt wurden ausschließlich signifikante Unterschiede)

Jahr

Strategie

Strategie

Geschätzte Mittelwert­differenzen

Standard­­fehler

DF

t Value

Pr > |t|

Adj P

2012

GfP H

GfP HF

–14.1430

4.8198

635.1

–2.93

0.0035

0.0182

2014

GfP H

GfP HF

–38.0490

4.8198

635.1

–7.89

<.0001

<.0001

2016

GfP H

GfP HF

–20.0640

4.8198

635.1

–4.16

<.0001

0.0002

2017

GfP H

GfP HF

–31.6980

4.8198

635.1

–6.58

<.0001

<.0001

 

IPS H

IPS HF

–16.1410

4.8198

635.1

–3.35

0.0009

0.0048

In Jahren mit hohem Befallsdruck, waren auch signifikante Mehrerträge zu erzielen. Der höchste Mehrertrag konnte in Phase 3 im Jahr 2014 in der Sorte JB Asano durch die Bekämpfung des am Standort massiven Gelb­rostbefalls erzielt werden (Abb. 4). Die zwei durchgeführten Fungizidanwendungen führten zu einem signi­fikanten Mehrertrag in der hoch anfälligen Sorte von 38 dt/ha. In der Reduktions- (Phase 1) bzw. IPS-Strategie (Phase 2 und 3) wies in sechs der 23 Jahre die unbehandelte Kontrolle einen höheren Ertrag auf als die behan­delte Variante. Der höchste und einzige signifikante Mehrertrag wurde in der Strategie IPS im Jahr 2017 in der Sorte Julius mit 16,1 dt/ha erreicht (Tab. 6).

Im Mittel der Jahre lag der Ertrag der unbehandelten Kontrollen (H) bei 68,7 dt/ha in der Strategie GfP bzw. situationsbezogene Pflanzenschutzmittelanwendung (100%) und bei 63,1 dt/ha in der Strategie IPS bzw. Reduktionsstrategie (50%). In den fungizidbehandelten Varianten (HF) konnten 73,4 dt/ha (GfP/100%) bzw. 67,2 dt/ha (IPS/50%) erzielt werden. Die unbehandelten Kontrollen zeigten bereits einen für den Standort guten Basisertrag, was auf die teils gut wirksamen Resistenzen der angebauten Sorten hinweist.

Beim Vergleich der beiden Pflanzenschutzstrategien untereinander, wies die Strategie GfP in den einzelnen Phasen des Versuches einen tendenziell um 7,1 (Phase 1), 4,5 (Phase 2) und 6,4 dt/ha (Phase 3) höheren Ertrag als die Strategie IPS auf. Diese Ertragsunterschiede erwie­sen sich in allen Phasen als nicht signifikant verschieden (Tab. 7). Auf Jahresebene war nur in den Jahren 2001 (p = 0,0006) und 2006 (p = 0,00052) ein signifikanter Unterschied zwischen der situationsbezogenen Pflanzenschutzmittelanwendung (100%) und der Reduk­tionsstrategie ersichtlich.

Tab. 7. Paarweiser Vergleich innerhalb der drei Phasen zwischen den behandelten Varianten (HF) der Pflanzen­schutzstrategien GfP/100% und IPS/50% (Tukey-Kramer LSD, α = 0.05)

Phase

Strategie

Strategie

Geschätzte Mittelwert­differenzen

Standard­­fehler

DF

t Value

Pr > |t|

Adj P

Phase 1

100 HF

50 HF

7.5052

3.5074

247

2.14

0.0334

0.1435

Phase 2

GfP HF

IPS HF

4.5318

3.6083

227

1.26

0.2104

0.5919

Phase 3

GfP HF

IPS HF

6.4330

3.1910

227

2.02

0.0450

0.1851

Die in der ersten Phase strikte Reduktion der Fungzidaufwandmengen um 50% führte tendenziell im Mittel zu den größten Unterschieden, aber auch zur größten Einsparung an Fungiziden (Tab. 3). Aufgrund des Resistenzmanagements, das im Hinblick auf zukünftig immer weniger zur Verfügung stehende Fungizide stark in den Vordergrund rückt, wird eine pauschale Reduktion vom Pflanzenschutzdienst nicht empfohlen (Pflanzenschutzdienste der Länder Berlin, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, 2020). Die Fungizidanwendung sollte sich am Krankeitsbefall orientieren, der durch regelmäßige Bestandeskontrollen erfasst wird. Am Standort Dahnsdorf waren jedoch häufig früh in der Saison die Bekämpfungsrichtwerte für Blattseptoria überschritten, so dass eine Bekämpfung erforderlich wurde, die örtliche Witterung aber oft zur Stagnation des Befalls führte. Retrospektiv betrachtet, wäre eine Behand­lung nicht erforderlich gewesen. Dies zeigen auch die oft nicht signifikanten Unterschiede im Ertrag beim Vergleich der unbehandelten Kontrollen mit den fungizidbehandelten Varianten (Tab. 6).

Eine wirtschaftliche Betrachtung der Phase 1, zeigte, dass die Fungizidanwendungen innerhalb der Strategien häufig unwirtschaftlich waren, was auf die gut wirksame Resistenz der Sorte Pegassos zurückzuführen war und bereits in den unbehandelten Kontrollen zu guten Basis­erträgen führte (Jahn et al., 2010). Bei mittleren bis höhe­ren Erträgen war die situationsbezogene Strategie (100%) trotz höherer Erträge der 50% Variante wirtschaftlich unterlegen. Eine erste Betrachtung des fungizidkostenfreien Erlöses in der Phase 3 ergab eine mittlere Differenz zwischen den Sorten JB Asano (GfP) und Julius (IPS) von 41,34 €/ha (Tab. 8). Dieser Unterschied war jedoch nicht signifikant (Tab. 9). Auch wenn die resistentere Sorte Julius tendenziell zu einer Einsparung von Fungiziden, aber auch zu einem tendenziell geringeren Ertrag und fungizidkostenfreien Mindererlös im Mittel der sechs betrachteten Jahre führte, zeigten die geprüfenden Pflanzenschutzstrategien statistisch betrachtet keinen Unterschied.

Tab. 8. Fungizidkostenfreier Erlös (€/ha) und Standardabweichung (STDEV) für die Strategien GfP (Sorte JB Asano) und IPS (Sorte Julius) in den behandelten Varianten sowie deren Differenz (GfP HF minus IPS HF) in den sechs Jahren der Phase 3

Jahr

Fungizidkostenfreier Erlös und STDEV in €/ha

Differenz in €/ha

 

GfP HF (JB Asano)

IPS HF (Julius)

 

2014

1.550,37 (121,52)

1.523,73 (58,15)

26,64

2015

955,47 (356,55)

973,61 (235,94)

–18,14

2016

1.232,89 (132,67)

1.236,62 (183,70)

–3,73

2017

1.098,66 (193,43)

985,51 (193,42)

113,15

2018

673,90 (149,56)

610,55 (207,08)

63,35

2019

894,18 (182,01)

827,43 (157,83)

66,75

Mittel

1.067,58 (344,34)

1.026,24 (343,15)

41,34

Tab. 9. Paarweiser Vergleich der fungizidkostenfreien Erlöse (€/ha) der Jahre der Phase 3 zwischen den fungi­zidbehandelten Varianten (HF) der Pflanzenschutzstrategien GfP und IPS (Tukey-Kramer LSD, α = 0.05)

Jahr

Geschätzte
Mittelwert­­differenzen

Standardfehler

DF

t Value

Pr > |t|

Adj P

2014

26.6480

72.1825

207

0.37

0.7124

0.9828

2015

–18.1412

72.1825

207

–0.25

0.8018

0.9944

2016

–3.7329

72.1825

207

–0.05

0.9588

1.0000

2017

113.15

72.1825

207

1.57

0.1185

0.3995

2018

63.3564

72.1825

207

0.88

0.3811

0.8164

2019

66.7485

72.1825

207

0.92

0.3562

0.7917

Zurückzuführen ist dieses Ergebnis sicherlich, wie bereits beim Behandlungsindex erwähnt, auch auf die regel­mäßigen Bestandeskontrollen am Standort, die ein frühzeitiges Erkennen des in den Jahren 2014 bis 2016 aufgetretenen Gelbrost in der hoch anfälligen Sorte JB Asano und ein schnelles Handeln ermöglichten und somit nur maximal zwei Behandlungen zur Folge hatten (Tab. 3). Den geringen Spielraum, den hoch anfällige Sorten bezüglich einer Behandlung bieten, führte in diesen Jahren in der Praxis zu wesentlich mehr Behandlungen. Im „Netz Vergleichsbetriebe Pflanzenschutz“ erfolg­ten in anfälligen Sorten, hauptsächlich bedingt durch die Gelbrostepidemien, bis zu vier Fungizidanwendungen (Dachbrodt-Saaydeh et al., 2018), die letztlich auch zu geringeren Erlösen führten.

Der Aspekt der Krankheitsresistenz gilt bei der Wahl einer Sorte durchaus als ein entscheidendes Instrument, um krankheitsbedingte Ertragsminderungen zu vermeiden und Fungizide einzusparen (Jørgensen et al., 2008; Jahn et al., 2010; Wagner & Jahn, 2013; Chen, 2014). Dies konnte auch in weiteren eigenen Untersuchungen gezeigt werden, in denen multiresistente Sorten wirtschaftlich mit praxisüblichen Sorten konkurrieren konnten (Kehlenbeck & Rajmis, 2018; Klocke, 2019). Multi­resistente Sorten in unterschiedlichen Qualitätssegmenten sind bereits heute am Markt verfügbar und können vom Landwirt genutzt werden (Bundessortenamt, 2019). Ihr Vorteil liegt darin, dass diese Sorten über gut wirk­same Resistenzen gegenüber den wichtigsten pilzlichen Schaderregern verfügen. Noch ist ihr Anbauumfang gemes­sen an der Saatgutvermehrungsfläche gering, aber im Hinblick auf die abnehmende Anzahl verfügbarer Fungizide, wird die Sortenresistenz zukünftig weit mehr in den Vordergrund rücken. Auch vor dem Hintergrund der Etablierung alternativer Produkte, wird bei dem jetzigen geringeren Wirkungsgrad dieser Alternativen (Reiss & Jørgensen, 2017; Matzen et al., 2019) die Sortenresistenz eine große Rolle spielen.

Fazit

Das Befallsgeschehen am Standort Dahnsdorf variierte in den letzten 23 Jahren stark, was sowohl auf die Resistenz der Sorten, aber auch auf die Jahreswitterung, den Befalls­druck und das örtliche Pathotypenspektrum zurück­zuführen ist. Aus Sicht der pilzlichen Schaderreger wird die Sortenresistenz auch zukünftig in dem hier vorgestellten Dauerversuch ein wichtiges Werkzeug des integrierten Pflanzenschutzes sein. Der positive Effekt einer resistenten Sorte, zeigte sich nach Umstellung des Versuches in Phase 3 (ab 2014), der einen direkten Vergleich von Sorten mit unterschiedlich ausgeprägter Resis­tenz ermöglichte. Eine signifikante Unterscheidung der Pflanzenschutzstrategien GfP und IPS war aber auch so nicht möglich, was letztlich auch an der geringen multiplen Resistenzausprägung der Sorte Julius lag. In Jahren mit hohem Gelbrostbefallsdruck konnten mit der resisten­ten Sorte Julius bis zum Jahr 2018 Fungizide eingespart werden, gegenüber Braunrost und Blattseptoria zeigte sie jedoch Schwächen und einen Befall, der Behand­lungen zu Folge hatte. Der Fokus sollte zukünftig bei Betrachtung der pilzlichen Schaderreger in der IPS-Strategie noch stärker auf multiresistente Winterweizensorten gelegt werden, die auch ertraglich und qualitativ mit den häufig angebauten Hochertragssorten konkurrieren können (Bundessortenamt, 2019). Herbologische, entomologische und auch pflanzenbauliche Aspekte erfordern eine zusätzliche Berücksichtigung und Abstim­mung. Nur durch die konsequente Nutzung des Sortenpotenzials wird es langfristig möglich sein, die Vorzüge des integrierten Pflanzenschutzes bezüglich der Kontrolle pilzlicher Schaderreger zum Tragen zu bringen und Erträge zu sichern.

Bei Betrachtung der momentan agrarpolitischen Entwicklungen auf EU- und auch Landesebene, ist die hier geprüfte und stetig weiterentwickelte IPS-Strategie somit durchaus empfehlenswert und leistet einen wichtigen Beitrag zur Umsetzung des integrierten Pflanzenschutzes und zur Festlegung und Erstellung der Sektor- und Kulturartenspezifischen Leitlinien des integrierten Pflanzenschutzes. Zur Integration dieser Ergebnisse auf betrieblicher Ebene bedarf es eines guten Wissenstransfers. Natio­nal erfolgt dies z.B. durch die Implementierung der Erkenntnisse in Modellvorhaben wie den „Demonstra­tionsbetrieben integrierter Pflanzenschutz“ (Helbig et al., 2019) und durch die Informationen der Pflanzenschutzdienste (Klindt, 2020), aber auch auf europäischer Ebene wird intensiv daran gearbeitet, Lösungen für einen optimierten Transfer und eine Umsetzung des IPS in die Praxis zu finden (Lamichhane et al., 2018). Nur wenn dies gelingt, wird es möglich sein, die auf den Ackerbau zukom­menden Veränderungen zukünftig erfolgreich zu bewältigen.

Erklärung zu Interessenskonflikten

Die Autoren erklären, dass keine Interessenskonflikte vorliegen.

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